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Grand Slam 2009

Grand Slam 07./ 08. November 2009 / Havel

Versuch einer literarischen Wertschätzung des epochalen Datums,
die aber auf halber Strecke aufgegeben wurde.

Es ist ein nasskalter Freitagnachmittag, der 6. November 2009. Leichter Nieselregen liegt über dem Jungfernsee. Durch den Dunst des herauf nahenden Herbstabends, reckt die Glienicker Brücke ihre graugrünen Stahlträger, tastenden Fingern gleich, gen Potsdam. Der kurze Ruf eines Käuzchens dringt durch die Stille. Ein schwacher Windhauch raubt den letzten Blättern die Kraft und lässt sie wankend zu Boden sinken.

Screenshot Website
Früher Grenzlinie ...
Neben mir steht, wie eine Gestalt entsprungen aus den Tiefen der Unterwelt, Mikmak, der Däne, den es in die Weiten Norwegens verschlagen hat und der nun, eine Schneise der Verödung in den Potsdamer Kneipen hinterlassend, bei Greg und Jule zu Besuch ist. Mit kehliger, biergetränkter Stimme wirft er mir einige Worte entgegen, dabei streift sein Blick den ehemaligen Wachturm, der einst zur Sicherung der Innerdeutschengrenze errichtet, die DDR vor imperialistischen Invasoren schützte: „Here looks shity. Still, as in East Gemany.“ Es traf mich wie ein Schlag! Nein, es war nicht ein Aufbegehren meines heimatliebenden Herzens gegen die Abfälligkeiten aus dem Munde des Norwegers. Es war die Dimension der Zeit, die Geschichte, die mich mit der Wucht eines fahrenden Zuges überrollte.

Grandslam2
...heute Ziellinie
Hier, wo meine Füße standen, durchkämmten noch vor 20 Jahren die Stiefel eines Grenzsoldaten das regenfeuchte, dürre, Novembergras, rasselten die Ketten der Spürhunde, suchten Scheinwerfer die seichten Wellen der nassen Grenze ab, jederzeit bereit, den verzweifelten Versuch einer Flucht zu vereiteln. Hier standen Sie, die Köpfe voll von Gedanken an Marx und Lenin und dem baldigen Sieg des Sozialismus - oder vielleicht doch nur sehnsüchtigen Blickes nach daheim zu Freundin, Frau, Familie - und schützten eine Grenze, mehr gegen das Land in ihrem Rücken als gegen den Feind auf der anderen Seite des Flusses.

Aber die Wogen der heraufdämmernden neuen Zeit schlugen bereits an das Außenbord ihrer grauen Patroullienboote. Noch ahnten sie nicht, dass ihre Welt, wie sie sie bisher kannten, in wenigen Tagen nicht mehr existierend wird, weil Menschen eine Mauer bestiegen, Schlagbäume umrissen, ihr Leben für ihre Freiheit riskierend. Ein aufbrausendes Gefühl des Zusammen- und des Aufbruchs wird sie durchströmen, das sie teilen werden mit 17 Millionen Landsleuten, 80 Millionen Deutschen, Millionen Europäern und Milliarden Menschen auf der Welt.

Und eben dieses Gefühl schien ich in diesem Augenblick wieder zu erahnen, an diesem Ort, wo ich heute zwei Dekaden später mein Boot verlud, zusammen mit einem norwegischen Dänen, einem deutschen/britischen Neuseeländer und einer brandenburgischen Sächsin. An einem Ort, an dem einst ein finanziell und ideologisch bankrotter Staat bewacht wurde und der heute eine Segelmacherei ist. An einem Ort, von dem aus ich die Brücke sehen kann, über die ich vor fast exakt 20 Jahren zusammen mit meinen Eltern ging, um zum ersten Mal den „Westen“ zu betreten. (1)

Ich wendete meinen Kopf, um Mikmak eine angemessene Antwort auf seine dahin geworfenen Worte zugeben. Doch der war längst gegangen und hatte mich gedankenverloren zurück gelassen. So blieb mir nichts anderes übrig als jenes Boot auf dem Trailer fest zu zurren, dass mir das Schicksal in seinem Wahnwitz für dieses Wochenende zugeteilt hatte. Es stand vor mir, wie ein Monolith längst vergangener Zeiten. Mir im Alter ebenbürtig, schwarzer Rumpf, hölzernes leuchtendes Deck, schwarzer Mast, das Schwert aus silberglänzendem Aluminium. Das Letzte seiner Art. So edel und anmutig, Iasons Argo hätte es nicht übertreffen können. Und ähnlich wie das Schiff des mythischen Argonauten, umwehte auch dieses Boot der Hauch der ewigen Legende. Schon oft hatte ich es raunen hören in den Erzählungen der Alten von Regatten aus grauer Vorzeit – 225, OK GER 225. Nun war ich es, der dieses Legende zum Leben erwecken durfte, in dem letzten Rennen des Jahres 2009 – einer Regatta zwischen den Welten.

So, nun aber jenuch poetisiert. Wir sind hier ja hier nich uffa Frankfurter Buchmesse. Außerdem vasteht ja sonst keener von de Suffköppe wat hier beim Sejeln so passiert is. ;) Also ich setzte mal an dem Punkt ein, wo ich Samstag früh beim Britischen aufgeschlagen bin. Der ganze Sums vorher wäre auch zu kompliziert zu erklären. Nur in Stichpunkten:


  1. Ich habe kein Boot mehr, weil verkauft (übrigens nach Werder, auch bekannt als Bermudadreieck des Ostens; keinen OK, der dahin verkauft wurde, hat man je wieder gesehen).

  2. Somit besitze ich auch kein Trailer mehr, was mehrere Trailerleerfahrten zwischen Berlin und Potsdam zur Folge hatte.

  3. Am Sonntag stand noch das Verladen der Neuseeland-Boote an, was die Beteiligten an die Grenze organisatorischer Logik brachte (wer bringt jetzt welches Schiff wohin, warum überhaupt und wer darf oben liegen???).



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Schöner Anblick
Also wieder… ich komme Samstag früh beim Britischen an. Für die Jahreszeit war es eigentlich gar nicht so kalt, die Sonne schien und der Wind war auch nicht allzu schlecht. 30 Segler, darunter sieben Dänen, sechs Polen, ein Belgier und der besagte Norweger hatten sich eingefunden. Nach dem schon obligatorischen Briefing, das wie in jedem Jahr mehr Frage offen ließ als beantwortete, konnte es dann endlich losgehen. Bei der zweiten oder dritten Wende mit der guten, alten 225, riss ich erst einmal die Halterung der Hängegurte aus dem Schott und verabschiedete mich fast ins Wasser. Wäre echt ungemütlich gewesen bei den Temperaturen.

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Kein Durchblick
Details zu den Rennen möchte ich euch ersparen. Nur soviel: wie zu erwarten gewann Greg beide Rennen des Tages, die 225 erwies sich als durchaus flinkes Boot und wir wurden völlig unverständlicher Weise bei bestem Wind nach zwei Wettfahrten an Land geschickt. Es war erst kurz nach Drei und man hätte noch locker ein Rennen fahren können. Aber was soll es. So saßen wir schon ziemlich früh bei Chili und Bier im warmen Clubhaus des DBYC.

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Greg an Tonne Eins...
Von den abendlichen Geschichten wäre auf jeden Fall die erzählenswert, in der es um die polnischen und dänischen WM-Teilnehmer geht, die auch am Montag ihre Boote in den Container verpacken wollten. Allerdings hatte keiner von ihnen eine Carnet. Die wollten sie sich mal nebenbei am Montag vor Ort besorgen. Neuesten Berichten zu Folge hat das natürlich nicht geklappt und der polnisch-dänische Container muss nun wohl verspätet auf Reisen gehen.

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...und auf Platz Eins
Der Sonntag begann wesentlich kälter als der Samstag. Ich habe trotz mehrerer Lagen Neopren ziemlich gefroren. Von den zwei Tagesrennen konnte eine Ralf und eine ich gewinnen. Letzteres hat mir den Schreiberlingplatz eingehandelt. Nomen est omen – für alle die es nicht wissen: die 225 hat ein bekannter Ossi-Bootsbauer namens Schreiber gebaut. Worauf das Boot von Jule auch Schnellschreiber getauft wurde. Also, was sollte ich auch machen, wenn einem das Schicksal quasi die Wellen glättet. Letztendlich wurde es auch noch um den 1. Platz für Greg knapp, da sich Ralf der Vollstrecker, trotz allerlei widriger Umstände, bis auf einen Punkt heran gepirscht hatte. Aber es reichte wieder einmal für den Kiwi.

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Wie beim Carnet "Augen zu und durch!"
Die wie immer ziemlich holprige bis peinliche Siegerehrung hatte dann doch noch ihren Höhepunkt. Dem staatstragenden Anlass geschuldet, erzählte der Offizielle des DBYC fast unter Tränen die alte Geschichte um den ersten Ossi, der wenige Tage nach dem Fall der Mauer beim Grand Slam aufschlug und die kalte Nacht vor den Toren des Vereins in seinem Wartburg nächtigte, um dann am nächsten Tag mit Holzmast Elfter zu werden. Ach und an den Namen könne er sich bis heute auch noch genau erinnern: Niko Koppe. Also, wer findet die drei Fehler? Auflösung am Ende des Berichts. (2)

So, ich denke dass reicht jetzt. Ich wünsche euch allen fröhliche Weihnachten und einen guten Rutsch! Wir sehen uns hoffentlich im nächsten Jahr alle gesund wieder. Bis dahin.

Erwin GER 645 (bald GER 752)

(1) Das Gelände auf dem heute die Werkstatt von Quantum-Sails Potsdam liegt, war ehemals Teil des Grenzstreifens zwischen Potsdam und West-Berlin. Noch heute steht hier ein ehemaliger Wachturm und auf dem Gelände findet man eine Reihe weiterer Hinterlassenschaften der Grenzanlagen.)
(2) Lösung: Es war natürlich Kay Nickelkoppe. Der hatte zwar tatsächlich schon damals einen Alumast und auch keinen Wartburg, sondern vielmehr einen Lada, mit dem er aus Frankfurt Oder kommend über den Grenzübergang Rudow mit frischem Stempel in den Papieren nach West-Berlin einreiste und bereits an der ersten roten Ampel von einem Porschefahrer mit einer Flasche Sekt versorgt wurde. Somit fuhr er sogleich an den Wannsee, dort den Grand Slam vermutend, fand aber nur den Potsdamer Yacht Club und einen jungen 470er Segler, der ihm den richtigen Weg zum British Berlin Yacht Club wies. Zwanzig Jahre später ist Kay Nickelkoppe - so sein richtiger Name - noch immer Teil der weltweiten OK Fangemeinde, der junge 470er Segler mittlerweile Obmann der OK Klassenvereinigung, die Alumasten sind längst von Carbonmasten verdrängt, Vereine findet man heute mit dem Navi und der Wachturm am Jungfernsee ist Teil einer von obigem deutschen Neuseeländer und einer brandenburgischen Sächsin betriebenen Segelmacherei. Das ist sie wohl - die Dimension der Zeit.

Ergänzungen: Kay N. und Christian H.

Bildunterschriften: Erik Bork

Bildquellen: DBYC und das Berliner Mauerarchiv (Hagen Koch)


ergebnisse

RankSgNr.Helm / ClubR1R2R3R4Total
1NZL 522Greg Wilcox / Blankaneser Segel Club1.01.03.0(5.0)5.0
2GER 711Ralf Mackmann / Segel Club Haltern am See/ SCH3.0(4.0)1.02.06.0
3DEN 1375Christian Hedlund / Hellerup(16.0)2.04.04.010.0
4GER 40Arne Lindemann / PSCW(8.0)7.05.01.013.0
5GER 740Juliane Hofmann / sächsischer Wassersportverein4.03.0(6.0)6.013.0
6DEN 1256Ivan Pedersen / HVS2.0(10.0)9.03.014.0
7GER 757Falk Hagemann / sächsischer Wassersportverein(15.0)5.08.08.021.0
8GER 743Karsten Kraus / TSV Schilksee9.09.0(15.0)7.025.0
9POL 333Janusz Stobinski /(18.0)8.02.016.026.0
10DEN 33Jens Makholm / hellerup sejlklub11.0(14.0)7.09.027.0
11GER 745Rainer Pospiech / Yacht Club Berlin Grünau(19.0)6.010.013.029.0
12GER 662Gerd Breitbart / SCOE / HH6.0(15.0)12.012.030.0
13GER 755Ingo Stelzer / BSV5.011.0(20.0)17.033.0
14POL 44Radek Drozdzik / KZ LOK Kety7.012.0(18.0)15.034.0
15GER 751Knut Ramin / CKA(13.0)13.011.010.034.0
16DEN 1331Fritz Banner / Ebeltoft vig Sejlklub12.017.016.0(20.0)45.0
17GER 691Albrecht Torsten / SCST14.019.014.0(23.0)47.0
18BEL 214Paul Verrijdt / KLYC Antwerpen(24.0)16.023.014.053.0
19GER 750Tietje Ralf / SVG10.023.0(24.0)21.054.0
20POL 5Darek Kras / MOS-2 Warszawa23.0(27.0)21.011.055.0
21DEN 1277Poul Christiansen / Farum Sejlklub(26.0)18.013.024.055.0
22DEN 1265Malte Pedersen / KDY20.0(28.0)17.022.059.0
23GER 621André Hennings / Club der Kreuzer-Abteilung17.020.022.0(35.0 DNC)59.0
24DEN 1318Egon Petersen / Nakskov21.026.019.0(35.0 DNC)66.0
25GER 660Bernd Willmann / Segelclub Karolinenhof e.V.(29.0)24.025.018.067.0
26DEN 1371Lynge Thang Jorgonson / Nakskov22.022.027.0(35.0 DNC)71.0
27GER 577Yves Kaminski / SVEW25.021.0(26.0)26.072.0
28GER 404Tobias Willmann / Segelclub Karolinenhof e.V.(35.0 DNS)29.029.019.077.0
29GER 640Sven Marchot / SGS Potsdam28.0(30.0)28.025.081.0
30POL 40Robert Swiecki / MOS-2 Warszawa27.025.0(35.0 DNC)35.0 DNC87.0
31POL 7Marek Czarnecki / Mikolajki(35.0 DNC)35.0 DNC35.0 DNC35.0 DNC105.0
31POL 1Tomek Gaj / MOS-2 Warszawa(35.0 DNC)35.0 DNC35.0 DNF35.0 DNC105.0
31SWE 64Jørgen Svendsen / KDY(35.0 DNC)35.0 DNC35.0 DNC35.0 DNC105.0
31BEL 220Ronny Poelman / KLYC Antwerpen(35.0 DNC)35.0 DNC35.0 DNC35.0 DNC105.0

made with: TCGS (2011-11-21)